20 März 2013
Es schneit. Zwei Kleinbusse stehen vor der SFG-Halle, gut fünf Stunden vor Spielbeginn. Ziel: Cloppenburg, die vorletzte Etappe der Saison in die Ferne. Zeitliche Sicherheitspuffer sind eingebaut: Staus, Witterungsverhältnisse, Pannen, es kann viel passieren, auch Pausen bei ganz weiten Fahrten sind eingeplant. Da wollen die Volleyballerinnen des VC SFG Olpe nichts dem Zufall überlassen. Aber Cloppenburg? Ja, schon mal gehört, irgendwo im Norden.
Die geografischen Kenntnisse dürften sich bei den SFG-Damen seit ihrem Aufstieg in die 3. Liga erweitert haben. „Briefträger-Geografie“ bezeichnet dies der Insider, wenn man weiß, wo was liegt. Wietmarschen, Bad Laer sind Orte, die nicht gerade jedem geläufig sind.
Rund 3400 Kilometer werden die Damen bis zum Saisonende zurückgelegt haben. Das entspricht etwa der Entfernung (Luftlinie) von Olpe bis zur Südspitze Siziliens und zurück. Oder einfache Strecke Olpe bis zum Ural, der Grenze zu Asien. Die Finanzierung macht ein großzügiger Sponsor möglich, ein Klein-Bus wird von der GFO zur Verfügung gestellt und bei längeren Auswärtsfahrten sind es zwei. Lange Fahrten also, bei denen sie sich die Zeit irgendwie vertreiben müssen.
„Das Übliche halt, für die Uni lernen, mit dem Handy spielen, schlafen, quatschen, scherzen, was man eben so macht,“ erzählt Mannschaftsführerin Tina Brüser, jede lenkt sich auf ihre Weise ab. „Auch Hochzeits-Zeitschriften sind gefragt“, bemerkt Janina Mester.
Am Steuer sitzen die SFG-Mädels nicht selbst, das übernehmen Freunde, Geschwister, auch Trainer Michael Jürgens oder der Vorsitzende Josef Basch. Das wäre zu viel Stress, die Damen wollen schon den Umständen entsprechend entspannt auftreten. „Im Smartphone-Zeitalter werden gerne Videos und Bilder herumgeschickt, oft witzig“, weiß Julia Feldmann. Plötzlich lautes Lachen. Der Trainer kriegt nichts mit: er muss sich auf die Fahrt konzentrieren.
Der Trainer hat neues Auto, kommt allein zur Halle, seine Spielerinnen warten auf ihn und weisen ihm den Weg zum Parkplatz. Groß ist das Schild: Frauenparkplatz. Der Trainer ist konzentriert, bereitet sich mental vor, er weiß es wohl bis heute noch nicht, dass er verbotswidrig bei den Frauen parkte.
Ende November, beim Hinspiel in Bad Laer, startete die Rückfahrt nach 22 Uhr. Doch der Bus kommt nur hundert Meter weit. Der ADAC muss kommen. Sabotage von Bad Laerer Hooligans? Natürlich nicht, aber Schaden an der Kupplung. „Die Mädels von Bad Laer haben uns nicht in der Kälte stehen lassen und Asyl in der Halle gewährt. Danke.“ erzählt Mannschaftsführerin Tina Brüser. So geht’s auch. „Eine Partyeinladung wurde allerdings abgelehnt, wir wollten einfach nur nach Hause“, so Michelle Langer. „Zum Glück hatten wir gewonnen, so wurde das mit Humor aufgenommen“, erinnert sich Michael Jürgens an das mitternächtliche Abenteuer.
Unterschiedliche Stimmungslage nach Sieg oder Niederlage? „Klar, bei Sieg geht es lockerer zu, eine Niederlage muss erst verarbeitet werden, die Enttäuschung sitzt immer tief. Aber so viel bekomme ich nicht mit, meist fahre ich selbst und keiner will vorne beim Trainer sitzen“, gibt Jürgens etwas nachdenklich zum Besten. „Verlieren macht einfach keinen Spaß“, machte Dani Keseberg schon zu Saisonbeginn aus ihrem Herzen keine Mördergrube. Eine Kiste Bier ist natürlich auch dabei. Entweder wird der Frust runtergespült oder es wird gefeiert, aber das ist ja bei anderen Sportarten kaum anders.
Statistisch hat der Heimvorteil allerdings bislang kaum eine Rolle gespielt. Die weiten Fahrten haben sich andererseits kaum als besonders nachteilig erwiesen, auch dank guter Zeitplanung. Gewonnenen Heimspielen folgten auch Siege in der Fremde, Heimniederlagen führten auch auswärts zu Pleiten und umgekehrt. Einzige Ausnahme bis zum drittletzten Spieltag der potenzielle Absteiger Oldenburg: 3:1 in der SFG-Halle, 0:3 in Oldenburg.
A1, Abfahrt 63 „Cloppenburg“, das Ortsschild Cloppenburg taucht aus dem Nebel auf. Der Adrenalinspiegel steigt langsam, irgendwie muss die Spannung bewältigt werden. „Wir wollen den Favoriten in eigener Halle ärgern, er hat uns zu Hause beim 2:3 schon geärgert“, ist die einhellige Meinung in beiden Kleinbussen. Es gelingt: 3:1 in Cloppenburg. Drei Stunden Rückfahrt stehen bevor. Die Damen sind dicht vor dem Ural. Nur noch ein Auswärtsspiel, dann sind sie in Asien.